Trend zu Bus, Bahn und Fahrrad

Verkehrsentwicklung in München

Foto: LHM

Verkehrsentwicklung in München

Der erste Samstag des Dezember 2023 war ein denkwürdiger Tag für die Verkehrsstatistik. Der massive Schneefall führte dazu, dass in München keine Straßenbahn, keine S-Bahn, kein Bus, keine Regionalbahn, kein Fernzug fuhr und auch kein Flugzeug in München startete.

Auch mit dem Auto oder mit dem Fahrrad konnte man sich kaum vorwärtsbewegen. Als am resilientesten erwiesen sich die U-Bahn und das Zu-Fuß-Gehen. Die U-Bahnen waren voll und man sah deutlich mehr Fußgänger als sonst.

Doch wie entwickelten sich die Verkehrsmengen im Durchschnitt des Jahres 2023 im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor Corona und den Corona-Maßnahmen, vor der Ausweitung des Home-Office und vor dem Deutschlandticket? Die Daten-Abteilung des Mobilitätsreferates der Landeshauptstadt München hat die Verkehrszahlen zusammengetragen und ausgewertet.

Zunächst muss festgestellt werden, dass sich die Bevölkerung zwischen 2019 und 2023 um etwa 3 Prozent erhöht hat. Gleichzeitig ist die Zahl der in München registrierten (privaten und dienstlichen) Kraftfahrzeuge (Kfz) um zirka 5 Prozent gestiegen ist. Dennoch ist basierend auf den Zahlen der rund 120 Kfz-Detektoren im gesamten Stadtgebiet die Kfz-Verkehrsmenge 2023 im Vergleich zu 2019 um rund 6 Prozent zurückgegangen. Innerhalb und außerhalb des Mittleren Ringes war der Rückgang mit minus 14 Prozent und minus 7 Prozent stärker als auf dem Ring mit rund minus 3 Prozent. Ähnliche Rückgänge des Kfz-Verkehrs werden auch aus anderen deutschen Großstädten berichtet und auch auf den gesamten Bundesautobahnen ist der Verkehr im Schnitt sogar um zirka 8 Prozent gesunken. Auch im Raum München haben die meisten radialen Autobahnen einen Rückgang im Kfz-Verkehr, während die A99 entgegen dem Trend eine Verkehrszunahme verzeichnet.
In 18 der 20 größten Städten Deutschland ist die Zahl der registrierten KFZ pro 1000 Einwohnenden von 2022 auf 2023 gesunken, außer in München und Bochum.

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Abb. 1: Rückgang der KFZ-Verkehrsmengen zu allen Tagesstunden seit 2019 (Quelle: MIV-Detektoren der LHM)

 

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Abb. 2: Rückgang der KFZ-Verkehrsmengen insbesondere am Montag und Freitag seit 2019 (Quelle: MIV-Detektoren der LHM)

 

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Abb. 3: Starker Rückgang der KFZ-Verkehrsmengen in den innenstadtnahen Achsen (Quelle: MIV-Detektoren der LHM)

Beim Radverkehr zeigt sich im Vergleich 2023 zu 2019 eine deutliche Zunahme der Verkehrsmenge. Im Durchschnitt der verfügbaren Raddauerzählstellen, die repräsentativ im Stadtgebiet verteilt sind, ergibt sich eine Zunahme des Radverkehrs von 2023 zu 2019 um zirka 17 Prozent. In den Monaten Januar bis August lag der Zuwachs 2023 gegenüber 2019 sogar bei über 25 Prozent - das Wetter war in den ersten 8 Monaten in beiden Jahren ähnlich. Obwohl das Wetter im November und Dezember 2023 deutlich regen- und schneereicher war als 2019, nahm das Radverkehrsaufkommen um immerhin rund 6 Prozent zu. Auch die allgemeine Zunahme des Radverkehrs deckt sich gut mit Informationen aus anderen Großstädten Deutschlands.

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Abb. 4: Zunahme der Fahrrad-Verkehrsmengen zu allen Tagesstunden seit 2019 (Quelle: Raddauerzählstellen der LHM)

 

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Abb. 5: Zunahme der Fahrrad-Verkehrsmengen insbesondere am Montag, Donnerstag und Samstag seit 2019 (Quelle: Raddauerzählstellen der LHM)

Zur Entwicklung des Fußverkehrsaufkommens kann das Mobilitätsreferat leider noch keine Aussagen machen, da noch keine repräsentativen Detektoren zur Messung des Fußverkehrs in München eingebaut wurden. Mit der neuen Fußverkehrsstrategie hat sich die Stadt zum Ziel gesetzt in Kürze auch Messysteme für die Zählung des Fußverkehrs einzusetzen.

Die Fahrgastzahlen beim Öffentlichen Personennahverkehr näherten sich 2023 wieder an das Niveau von 2019 an. Die automatischen Fahrgastzählsysteme bei U-Bahn, Tram und Stadtbus zeigen, dass die Fahrgastzahlen 2023 um zirka 7 Prozent unter 2019 liegen, also wieder zu 93 Prozent den Vor-Corona-Wert erreicht haben. Die Zahl der S-Bahn-Fahrgäste lag gemäß automatischen Fahrgastzählsystemen 2023 noch um etwa 13 Prozent unter dem Niveau von 2019, vermutlich da S-Bahn-Pendler aus dem Umland tendenziell eher im Home-Office arbeiten als Pendler aus dem Stadtgebiet. Bei Unterscheidung der S-Bahn-Fahrgastzahlen nach Werktag und Wochenende, ergeben sich deutliche Unterschiede. Montag bis Freitag ist die Zahl der Fahrgäste trotz Deutschlandticket 2023 um 17 Prozent niedriger als 2019, während am Wochenende die S-Bahn um immerhin 1 Prozent mehr Fahrgäste verzeichnet. Im Sommer lag die Zunahme der S-Bahn-Fahrgastzahlen am Wochenende 2023 zu 2019 bei über 30 Prozent. Dies zeigt, dass zumindest im Raum München, das Deutschlandticket entgegen der Ankündigung der Bundesregierung kaum Auswirkungen auf die Verkehrsmittelwahl der Pendler hat und somit kein Pendlerticket ist, sondern eher ein Ausflugs- und Freizeitticket.

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Abb. 6: Entwicklung der Verkehrsmengen im MIV und Radverkehr und der Fahrgastzahlen im ÖPNV seit 2017 (Quelle: MIV-Detektoren, Raddauerzählstellen der LHM und Fahrgastzählsysteme der MVG)

Bei Betrachtung des Eisenbahn-Fernverkehrs von und nach München, wird eine Zunahme der Zahl der Fahrgäste gemäß Buchungsstatistik von DB Fernverkehr ersichtlich. So ergibt sich beim nationalen Bahnfernverkehr von/nach München mit Start- oder Zielpunkt in Deutschland für 2023 im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2019 eine Zunahme von immerhin 3 Prozent. Der internationale Bahnfernverkehr wuchs noch stärker: Die Zahl der Fahrgäste von/nach München mit Zielen im Ausland stieg um beeindruckende 20 Prozent. Gerade die Züge von München nach Zürich, Wien, Prag, Budapest oder Paris sind sehr nachgefragt. Passend zu den positiven Entwicklungen im Eisenbahnfernverkehr ist die Zahl der Fluggäste am Flughafen München 2023 im Vergleich zu 2019 um 23 Prozent zurückgegangen. Anscheinend steigen immer mehr Menschen für Reisen in das europäische Ausland vom Flugzeug auf die Eisenbahn um.

Der Modal-Split, das heißt die Aufteilung des Gesamtverkehrsaufkommens bzw. der Gesamtzahl der Wege der Münchnerinnen und Münchner auf die vier Verkehrsträger Kfz, Rad, ÖPNV und Fuß, wurde zuletzt 2017 mit einer umfangreichen Befragung - der MiD (Mobilität in Deutschland) - ermittelt. Der Modal Split lag 2017 bei Kfz 34 Prozent , Rad 18 Prozent , ÖPNV 24 Prozent und Fuß 24 Prozent. Im Jahr 2023 wurde erneut eine Haushaltsbefragung durchgeführt, an der sich die Landeshauptstadt München beteiligt hat - diesmal an der Studie SrV (System repräsentativer Verkehrsbefragungen), deren Ergebnisse im Herbst 2024 vorliegen werden.

Die oben genannten Zahlen der Detektoren zeigen, dass ein Zuwachs der Prozentpunkte beim Radverkehr und ein Rückgang beim Kfz zu erwarten ist. Für eine Erhöhung der Prozentpunkte des ÖPNV, muss dieser in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden und es müssen Push-Maßnahmen beim Kfz-Verkehr eingeführt werden. Durch zusätzliche Angebote für den Umweltverbund allein lassen sich die von den Städten gesetzten und die bundespolitisch verankerten Ziele für den Verkehr nicht erreichen. Zu einer kohärenten Verkehrspolitik gehört das Verknüpfen der Angebotsverbesserungen mit Push-Maßnahmen. Gemeint sind Einschränkungen für den motorisierter Individualverkehr, die ihn dort, wo es Alternativen gibt, im Vergleich unattraktiver machen, sodass weniger Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Bei Push-Maßnahmen kann es sich um Tempolimits, schmalere oder weniger Fahrspuren, Durchfahrtsbeschränkungen, Reduzierung von Parkmöglichkeiten oder um zusätzliche Kosten handeln. Aufgrund der Flächenkonkurrenzen im Siedlungsbestand sind Verbesserungen für den Fuß- und Radverkehr oftmals nicht ohne Reduzierung der Flächen für den motorisierten Verkehr zu erreichen.