Bedeutung des Radverkehrs

Durch die 2008 eingerichteten Raddauerzählstellen kann die Entwicklung des Radverkehrsaufkommens in München kontinuierlich beobachtet werden. Dabei wird deutlich: Neben den saisonalen Schwankungen (im Sommer wird mehr Rad gefahren als im Winter) gewinnt der Radverkehr in München fortwährend an Bedeutung. Wurden im Jahr 2012 an den Zählstellen Erhardtstr., Margaretenstr., Hirschgarten und Olympiapark noch 2,7 Millionen Radler*innen gezählt, waren es im Jahr 2017 bereits 3,2 Millionen (+20 Prozent zu 2012) und im Jahr 2021 mehr als 4 Millionen (+51 Prozent zu 2012). Gerade im Jahr 2020, das wesentlich von der COVID-19-Pandemie geprägt war, hat sich der Trend der Vorjahre nochmals verstärkt und mehr Menschen haben in München das Rad benutzt.

Radfahren liegt aus guten Gründen im Trend: Es fördert die Gesundheit, ist leise, emissionsfrei, platzsparend, kostengünstig, ermöglicht die soziale Interaktion mit anderen und ist innerstädtisch auf Strecken bis zu fünf Kilometer in der Regel auch schneller als die Fahrt mit dem Auto oder dem ÖPNV. Radfahrer*innen tun sich selbst etwas Gutes und entlasten zudem die Stadtgesellschaft. Auch deshalb ist der Radverkehr ein wesentlicher Baustein der Verkehrswende. Er wird in München nicht zuletzt seit dem Beschluss des Stadtrats 2019 zur Umsetzung der beiden Bürgerbegehren „Radentscheid München“ und „Altstadt-Radlring“ verstärkt gefördert.

Entwicklung der verunfallten Radfahrer*innen

Wie die Fußgänger*innen zählen auch die Radfahrer*innen zur Gruppe der sogenannten vulnerablen Verkehrsteilnehmer*innen. Sie stehen besonders im Fokus der Verkehrssicherheit, weil sie ein besonderes Risiko tragen, bei Unfällen im Straßenverkehr verletzt oder getötet zu werden. In den 12 Jahren zwischen 2010 bis 2021 werden durchschnittlich pro Jahr ca. 4 Radfahrer*innen im Münchner Straßenverkehr getötet, ca. 260 schwer und weitere 2.057 leicht verletzt. Leichtverletzte auf dem Rad waren im Durchschnitt 41 Jahre alt, Schwerverletzte 46 Jahre und Getötete 60 Jahre. Im Gegensatz zu bspw. dem Fußverkehr (siehe Auswertung) ist das Unfallaufkommen im Radverkehr während der beiden von der COVID-19-Pandemie geprägten Jahre 2020 und 2021 nicht zurückgegangen. Damit verhält sich diese Entwicklung analog dem, auch durch die Dauerzählstellen erfassten, Trend zu mehr Radverkehr. Es ist davon auszugehen, dass bei den Radverkehrsunfällen eine erhebliche Dunkelziffer besteht. Alleinunfälle werden bspw. selten der Polizei gemeldet und sind daher auch in der polizeilichen Unfallstatistik sehr wahrscheinlich deutlich unterrepräsentiert. 

Seit 2018 werden in München mehr Menschen auf dem Rad als im Auto leichtverletzt: 42 Prozent aller Leichtverletzten der Jahre 2018 bis 2021 waren auf dem Rad unterwegs (33 Prozent im Pkw). In den Jahren 2010 bis 2017 waren es noch 34 Prozent (und 40 Prozent im Pkw). Bei den Schwerverletzten stellen Radfahrer*innen in allen betrachteten Jahren die größte Gruppe dar. Lag ihr Anteil jedoch in den Jahren 2010 bis 2017 bei 42 Prozent, stieg dieser in den Jahren 2018 bis 2021 auf 50 Prozent. Als mögliche Gründe hierfür sind der zunehmende Radverkehr und bessere Sicherungssysteme im Auto zu nennen.

Demographie der verunfallten Radfahrer*innen

Im Radverkehr verunfallen Männer, im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil, deutlich häufiger als Frauen. So wurden im Zeitraum 2010 bis 2021 15.717 Männer (57 Prozent) und 12.054 Frauen (43 Prozent) als Radfahrer*innen im Münchner Straßenverkehr getötet, schwer oder leicht verletzt. Bei zusätzlicher Betrachtung des Alters der Verunfallten und im direkten Vergleich mit der Demographie der Münchner Wohnbevölkerung wird zudem deutlich, dass einzelne Altersgruppen häufiger als andere als Radfahrer*innen verunfallen. So verunglücken im Vergleich zu ihrem Anteil an der Wohnbevölkerung besonders Männer ab 10 Jahren und bis zu einem Alter von 80 Jahre, aber auch Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren überproportional häufig als Radfahrer*innen. Besonders die Altersgruppen der 10–20 und jene der 40–55 jährigen Männer sind im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil deutlich überrepräsentiert. Die bei der „Mobilität in Deutschland“-Untersuchung 2017 erfassten alters- und geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Verkehrsmittelnutzung in München können nur teilweise erklären, dass Männer in den genannten Altersgruppen überproportional häufig verunfallen. Es bleibt damit zunächst unklar, ob in München Männer in den genannten Altersgruppen (im Vergleich zu Frauen und anderen Altersgruppen) häufiger Rad fahren oder nur häufiger verunglücken.

Die 24.684 leichtverletzten Radfahrer*innen in den Jahren 2010 bis 2021 waren im Durchschnitt 41 Jahre, die 3.123 Schwerverletzten im Durchschnitt 49 Jahre und die 44 Getöteten im Durchschnitt 61 Jahre alt. Somit steigt, analog den Fußgänger*innen, auch für Radfahrer*innen mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit in einem Verkehrsunfall schwer verletzt oder getötet zu werden.

Unfälle im Radverkehr nach Monaten, Wochentagen und Stunden

Die Verteilung des Unfallgeschehens im Radverkehr im Jahresverlauf entspricht in etwa der durch die Dauerzählstellen erfassten Verteilung des Radverkehrsaufkommen. Das Unfallgeschehen im Radverkehr ist damit, im Gegensatz zu solchen Unfällen ohne Radverkehrsbeteiligung, stark saisonal: Entsprechend einem hohen Radverkehrsaufkommen der Dauerzählstellen zeigen die Monate Juni, Juli und September auch ein vergleichsweise hohes Unfallgeschehen, die Monate Januar bis April und besonders der August ein im Vergleich zu dem Radverkehrsaufkommen der Dauerzählstellen niedriges Unfallgeschehen auf.

In den Jahren 2010 bis 2021 ist der Juni mit durchschnittlich 16 Prozent aller Unfälle der mit Abstand unfallhäufigste Monat im Radverkehr und mit 14 Prozent aller erfassten Zählungen an den Dauerzählstellen auch der stärkste Monat im Radverkehrsaufkommen. Dagegen entfallen in den Jahren 2010 bis 2021 auf den Januar lediglich 3 Prozent aller polizeilich erfassten Unfälle im Radverkehr – bei vergleichbar niedrigem Radverkehrsaufkommen.

Wie auch bei allen anderen Unfällen kommt es häufiger an den Werktagen Montag bis Freitag als am Wochenende zu Unfällen im Radverkehr. Vor allem bei gleichzeitig auftretenden hohen Verkehrsstärken von motorisierten und nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmenden erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für Unfälle mit ungeschützten Verkehrsteilnehmenden.

Im Vergleich zu Unfällen ohne Radfahrer*innenbeteiligung finden solche Unfälle mit Radfahrer*innenbeteiligung häufiger am Morgen zwischen 7 und 9 Uhr und am Abend zwischen 17 und 20 Uhr statt – also zu den klassischen Pendlerzeiten im Berufsverkehr. Dieser Umstand und die vergleichsweise Häufung von Unfällen unter der Woche verdeutlichen, dass das Fahrrad in München für viele Menschen nicht ausschließlich Freizeit- sondern vor allem auch ein Transportmittel ist.

Unfallgegner*in aus Sicht des Radverkehrs

Hauptunfallgegner*in von Radfahrer*innen sind Personenkraftwagen. Diese machen 65 Prozent der Unfallgegner*innen bei leichtverletzten, 48 Prozent der Unfallgegner*innen bei schwerverletzten und 37 Prozent der Unfallgegner*innen mit getöteten Radfahrer*innen der Jahre 2010 bis 2021 aus. Unfälle mit Lastkraftwagen, Tram und Bussen ziehen in der Regel auch schwerere Unfallfolgen nach sich. So ist bei 40 Prozent der Unfälle mit getöteten Radfahrer*innen ein Lastkraftwagen beteiligt, bei den Scherverletzten und Leichtverletzen nur bei jedem zwanzigstem Unfall (5 Prozent bzw. 4 Prozent). Ähnlich verhält es sich bei den Unfällen mit Tram und Bussen. Die häufigsten Unfallursachen sind Fehler bei abbiegenden oder einbiegenden Kraftfahrzeugen, wenn deren Fahrer*innen die Vorfahrt oder den Vorrang des Radverkehrs missachten. Einen umfangreichen Forschungsbericht dazu hat die Unfallforschung der Versicherer 2013 veröffentlicht.