Welche Rolle spielt Tempo 30 für die Verkehrssicherheit in Wohnvierteln? Lassen sich damit (schwere) Unfälle verhindern?
Die Unfallhäufigkeit, vor allem aber die Unfallfolgen, werden maßgeblich von der Geschwindigkeit mitbestimmt. Bei niedrigerer Geschwindigkeit können Unfallsituationen durch eine dann noch mögliche Reaktion der Verkehrsteilnehmenden im Konfliktfall eher vermieden werden. Ist der Unfall jedoch unvermeidbar, so hängen die Unfallfolgen, Sachschäden sowie körperliche Schäden, erheblich von der Höhe der Geschwindigkeit ab.
Somit kann Tempo 30 im innerstädtischen Bereich Leben retten, das haben verschiedene europäische Studien deutlich gemacht. So konnte beispielsweise in London nachgewiesen werden, dass die Einführung von Tempo-30-Zonen über einen Zeitraum von 20 Jahren (1986 bis2006) die Verkehrssicherheit aller Menschen jeden Alters und in allen Verkehrsmitteln erheblich verbessert hat. Bei Kindern unter 15 Jahren konnte die Zahl der Todesfälle und der Schwerverletzten mit bleibenden Schäden in Tempo-30-Zonen halbiert werden.
Wie wirkt sich Tempo 30 auf die Lebensqualität in Wohnvierteln aus?
In vielen Städten und Gemeinden erzeugt ein hohes Kfz-Aufkommen im Straßenverkehr größere Probleme, die sich neben dem Unfallgeschehen auch in der der Lärm- und Luftschadstoffbelastung, der CO2-Bilanz sowie unzureichenden Aufenthaltsqualitäten widerspiegeln. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2022 hat die möglichen Auswirkungen einer innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h auf Verkehr, Lärm und Luftschadstoffe untersucht. Danach zeigen Prognosen aus verschiedenen Modellstädten positive Ergebnisse bei der Reduzierung von Lärmbelastungen und der Entwicklung von Feinstaub- und Luftschadstoffbelastungen.
Wie viel Prozent der Straßen in München sind aktuell als Tempo-30-Zonen ausgewiesen?
Auf zirka 80 Prozent der Straßen in München gilt, zumindest abschnittsweise, eine Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 oder weniger (Stand Ende 2022). Es gibt zudem auch zeitlich begrenzte Geschwindigkeitsbegrenzungen, beispielsweise vor Kindergärten und Schulen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, wenn die Stadt Tempo 30 einführen will?
Der Gesetzgeber hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften auf 50 km/h beschränkt. Die Straßenverkehrsbehörde, das ist in München das Mobilitätsreferat, kann von dieser Norm nur in den Fällen abweichen, in der Straßenverkehrsordnung (StVO) definierte Gründe (z.B. besondere Unfalllage, erhöhte Lärmbelastung oder Luftverschmutzung) vorliegen. Demnach können Geschwindigkeitsbeschränkungen entweder für eine bestimmte Straße oder eine ganze Zone, sogenannte Tempo-30-Zonen, angeordnet werden. Beide Varianten sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Das Mobilitätsreferat schöpft dabei die gesetzlichen Rahmenbedingungen so weit wie möglich aus und bringt auch schon bei Umplanungen die notwendigen Änderungen ein, um künftig die Voraussetzungen dafür erfüllen zu können.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Bund die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen würde, dass Kommunen Tempo-30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts auch dann anordnen können, wenn dies neben der Verkehrssicherheit auch zur Erreichung von Zielen des Klima- und des Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung notwendig ist.
Wo und unter welchen Voraussetzungen kann in München Tempo 30 angeordnet werden?
Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h als streckenbezogene Einzelmaßnahme müssen in einer besonderen Unfalllage, einer außergewöhnlichen Eigenart des Straßenverlaufes und solchen Tatsachen begründet sein, die der Kraftfahrende aus seiner Sicht nicht wahrzunehmen vermag, wie beispielsweise die Lärmbelastung
Auch im unmittelbaren Bereich von an Straßen gelegenen sensiblen Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Krippen, Horten, Kindergärten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern kann die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 beschränkt werden.
Tempo-30-Zonen können wir nur da anordnen, wo kein starker Durchgangsverkehr vorherrscht. Des Weiteren dürfen Tempo-30-Zonen nur abseits von Vorfahrtstraßen eingerichtet werden und es muss grundsätzlich innerhalb einer Tempo-30-Zone die Vorfahrtsregelung „Rechts vor Links“ gelten. Bei der Anordnung sind Ausnahmen möglich, zum Beispiel wenn der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) durch diesen Bereich fährt.
Was erhofft sich das Mobilitätsreferat von der Nachbarschaftsaktion „Hast du uns auf dem Radar“?
Es gibt eine Vielzahl an Forderungen für mehr Tempo-30 im Stadtgebiet, die uns aus der Stadtgesellschaft, zum Beispiel über die Bezirksausschüsse, erreichen. Diese zeigen deutlich, dass sich die Münchner Bürger*innen für langsamere Geschwindigkeiten im Stadtgebiet stark machen. Das ist auch unser erklärtes Ziel auf dem Weg zur Vision Zero: Mit mehr Tempo-30 nimmt die Wahrscheinlichkeit von Unfällen mit schweren oder tödlichen Folgen nachweislich ab.
Die Stadt München hat ihre gesetzlichen Möglichkeiten zur Einführung von Tempo-30 bereits weitgehend ausgeschöpft. Eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch den Bund könnten uns neue Handlungsspielräume ermöglichen.
Gleichzeitig zeigen Geschwindigkeitsmessungen aber auch deutlich, dass sich nicht alle Autofahrer*innen an geltende Tempolimits halten. Auch im Bereich der Bergmann-, Gerolt- und Kazmairstraße wird häufig zu schnell gefahren, was vereinzelt bereits zu Unfällen geführt hat. Eine lückenlose Überwachung ist jedoch schlichtweg nicht möglich. Am Ende ist deswegen jede*r Einzelne von uns gefragt, rücksichtsvoll und mit angemessenem Tempo unterwegs zu sein. Nur gemeinsam können wir die Vision Zero in München erreichen. Die Aktion „Hast du uns auf dem Radar?” ist ein Schwerpunktthema der Verkehrssicherheitskampagne Merci Dir für mehr gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr.
Was ist die Zielsetzung und Botschaft der Aktion?
Ziel der Aktion ist, das Thema auf eine lokale und persönliche Ebene zu führen: Münchner*innen setzen mit ihrer eigenen, individuellen Botschaft ein Zeichen für sichere Straßen. Anwohner*innen setzen sich ein für ihre Bedürfnisse nach Sicherheit, Lebensqualität und Ruhe. Die Kernbotschaft der Aktion lautet: Bitte fahrt langsam! Die Aktion im Westend steht stellvertretend für alle Wohngebiete in München.